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Kasper Hauser

Das „Kind Europas“ und die alte bayerische Grenze bei Ölsbach im Landkreis Neumarkt i.d.OPf.

Gemälde Potrait von Kasper HauserDie „Baierische Gränz“ ist die einstige kurbayerische Grenze zwischen der späteren Oberpfalz, bzw. dem heutigen Landkreis Neumarkt i.d.OPf. und dem ehemaligen Gebiet der Reischsstadt Nürnberg, heute Landkreis Nürnberger Land im Regierungsbezirk Mittelfranken. Diese Grenze ist durchschnittlich 25 bis 30 Kilometer von Nürnberg entfernt.

Dies ist, soweit inzwischen bekannt und erforscht, die Geschichte des Opfers eines der aufsehenerregensten Kriminalfälle, der als "Verbrechen an der Seele eines Kindes" (Anselm von Feuerbach) in die Literatur eingegangen ist.

Am 26. Mai 1828 tauchte in Nürnberg ein seltsamer Mensch auf. Er stammelt einige kaum verständliche Sätze und wußte nicht, wer er war und woher er kam. Der Fremde zog einen versiegelten Brief aus der Tasche, welcher an „Tit. H. Wohlgebohner Rittmeister bey den 4ten Escaraton bey 6ten Schwolische Regiment in Nürnberg“ adressiert war. Dieser geheimisvolle Brief spielt in der Hauser-Literatur eine große Rolle. Datiert ist er „Von der Baierischen Gränz, 1828.“ Der Verfasser des Briefes behauptet, ein armer Tagelöhner zu sein, dem von einer unbekannten Kindsmutter ein unehelich geborener Säugling vor die Tür gelegt worden sei. Zum „Beweis“ dieser Behauptung lag dem Brief ein Zettel bei, der angeblich beim Säugling gefunden wurde. Darauf war zu lesen:

„Das Kind ist schon getauft. Sie heist Kasper, in Schreibname misen sie im selber geben. Das Kind möchten Sie aufzihen. Sein Vater ist ein Schwolische gewesen. Wen er 17 Jahre alt ist so schicken sie im nach Nirnberg zu 6ten Schwolische Regiment, da ist auch sein Vater gewesen, ich bitte um die erzihung bis 17 Jahre, gebohren ist er am 30 Aperil 1812 im jahre. Ich bin ein armes Mägdlein. Ich kann das Kind nicht ernehren, sein Vater ist gestorben.

Beide Schriften sind eine Fälschung, die von Anfang an die Spuren von Kaspar Hausers Herkunft verwischen sollten. Der Verfasser kann unmöglich ein armer Tagelöhner gewesen sein, seine Handschrift läßt auf einen gereiften Schreiber aus dem Volk hinweisen. Empfehlungsbrief und Mägdleinzettel enthalten mit ihren zahlreichen Provinzialismen, ihrem Dialekt und der volksüblichen Ausdrucksweise erste Hinweise, die den Urheber der beiden Schriftstücke in der Gegend von Neumarkt vermuten lassen. Auch die militärischen Kenntnisse des Fälschers beschränken sich auf das Neumarkter Gebiet. Eine Eskadron des 6. Chevauxleger Regiments war 1828 in Neumarkt stationiert, und auch die in Nürnberg liegende 6. Eskadron des Rittmeisters von Wessening hatte zwei Jahre vor dem Auftauchen Hausers in Neumarkt ihren Standort.

Das für den Brief benutzte Papier stammte ebenfalls aus der Gegend. Es war in der Papiermühle Reichelsdorf südlich von Nürnberg hergestellt worden. Die Hintermänner dieser dunklen Affäre waren davon ausgegangen, daß man für einen freiwilligen Eintritt ins Militär 17 Jahre sein mußte. Hauser wäre jedoch nach dem angegebenen Geburtsdatum bei seinem Auftauchen erst 16 Jahre alt gewesen. Nachdem der Verfasser der beiden Schriftstücke aber mit Sicherheit ein aus der Neumarkter Gegend stammender Oberpfälzer war, zählte er nach landesüblichem Brauch das bereits begonnene Jahr als 17. Lebensjahr. Auch die Kleidung war die in der Oberpfalz damals übliche ländliche Tracht.

Durch die damals angestellten medizinischen Untersuchungen ließen seinerzeit die Vermutung zu, daß der geheimisvolle Findling, der bei seinem Auftauchen in Nürnberg tatsächlich etwa 16 bis 17 Jahre alt war, eine unbestimmte Zeit vor seinem Erscheinen in einem halbdunklen Versteck bei Wasser und Brot zugebracht haben mußte. Erst nachdem Hauser allmählich wie ein Kind sprechen und denken gelernt hatte, konnte er einige Erinnerungen an sein Gefangenschaft wachrufen. Aufgrund Angaben Hauseres, der ein sehr gutes Beobachtungsvermögen und ein hervorragendes Gedächtnis besaß, kann man den Raum mit etwa drei Meter Länge, zwei Meter Breite und etwa eineinhalb Meter Höhe definieren. Eine gangartige Zelle mit kleiner Licht- und Luftöffnung sowie einer niedrigen Eingangstür.

Wo aber soll es ein solches Versteck gegeben haben? Bereits zu Lebzeiten Hausers ist man zahlreichen Anhaltspunkten nachgegangen, ohne daß man irgendwelche Spuren gefunden hätte. 1924 wurde in dem bei Neumarkt gelegenen Schloß Pilsach während eines Treppenhausumbaus ein zugeschüttetes Verlies entdeckt. Man fand dort angeblich auch die breite Stroh- und Flachshadernschicht eines Lagers. 1981/82 tauchten im Schloß halbvermoderte Reste von Kleidungsstücken, ein hözernes Kinderlöffelchen, ein mokassinartiger Schuh und ein nur wenig beschädigtes altes Spielzeugpferd auf, das etwa so aussah, wie das von Hauser beschriebene Holzpferd.

Mit Zustimmung der Stadt Nürnberg, die inzwischen den Findling adoptiert hatte , kam Hauser zunächst zu dem auf der Insel Schütt wohnenden Gymnasialprofessor Georg Friedrich Daumer. Dort beschäftigte er sich eifrig mit Schreiben und Zeichnen und anderen Lehrfächern. Nach einigen Monaten zeichnete sich jedoch ein Nervenzusammenbruch ab, der Unterricht mußte eingestellt werden. Man beschäftigte ihn mit handwerklichen Arbeiten. Nachdem er wieder gesund geworden war, machte er auf schulischem Gebiet wieder Fortschritte. Er besaß eine außerordentliche Empfindlichkeit gegen homöopathische Heilstoffe und für den organischen wie auch mineralischen Magnetismus. Hauser konnte Metalle und Mineralien nach ihrer Radioaktivität unterscheiden. Weiteres deutete auf sog. "Somnambulen" (Schlafwandlertyp) hin, auch war er der Hypnose zugänglich. Dies erklärt so manches Rätselhafte in seinem Leben. Eine auffällige Erscheinung war auch der "Totenschlaf", in den er beispielsweise verfiel, wenn er gefahren wurde, und aus dem er nur sehr schwer geweckt werden konnte.

Am 17. Oktober 1829 ereignete sich ein Vorfall, der ihn plötzlich erneut in den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses rückte. Kaspar Hauser war von einem vermummten Mann überfallen und an der Stirn leicht verletzt worden. Kurze Zeit vor dem Überfall hatte er wieder „hellseherische“ Anwandlungen und Angstgefühle gehabt. Der Attentäter hatte es ganz offensichtlich nicht auf das Leben Hausers abgesehen. Er wollte Hauser entweder einschüchtern oder die Aufmerksamkeit auf ihn lenken. Das Attentat war Anlaß für neue Nachforschungen über die Herkunft Hausers und sogar König Ludwig I. schaltete sich ein. 500 Gulden (etwa 10.225,00 €) wurden zur Belohnung ausgesetzt. Es fanden Verhöre der Augenzeugen statt, die Polizei durchkämmte erneut Bayerns Winkel - besonders in der Gegend von Neumarkt bis Gnadenberg. Niemand wollte oder konnte weder vom Findling noch vom Attentäter etwas wissen.

Am 14. Dezember 1833 zw. 14.30 und 15.30 Uhr ereignete sich ein Vorgang der nur aus den Worten Hausers rekonstruiert werden konnte, wobei sich seine Aussagen in allen wesentlichen Punkten bestätigten. „Hofgarten gegangen - Mann - Messer gehabt - Beutel geben - gestochen - ich laufen was konnt - Beutel noch dort liegen.“ Ein Polizeidiener fand tatsächlich einen blauseidenen Beutel im Hofgarten. Dieser Beutel enthielt einen auf umständliche Art gefalteten Zettel, der eine mit Bleistift geschriebenen Spiegelschrift trug.

„Abzugeben Hauser wird es euch ganz genau erzählen können, wie ich aussehe, und woher ich bin. Dem Hauser die Mühe zu ersparen. Ich komme … Ich komme von … der Baierischen Gränze … Am Fluß … Ich will auch sogar noch den Namen sagen: M. L. Ö.“

Die Stichwunde war tödlich, am 17. Dezember 1833 gegen 22 Uhr starb Kaspar Hauser. König Ludwig I setzte eine damals unerhörte Summe von 10.000 fl (etwa 178.952,00 €) als Belohnung für die Entdeckung des Mörders aus. Der Mann wurde nie ermittelt.

Erst zwei Jahre später wurde im Hofgarten ein 14 Zentimeter langer, damaszierter und beiderseitz scharf geschliffener Dolch gefunden. Dieser französischer Banditendolch ist heute im Ansbacher Hausermuseum aufbewahrt.

M. L. Ö. – seltsame Buchstaben, an denen man lange vergeblich herumgerätselt hat. Der in Bayern für Ortsnamen seltene Anfangsbuchstabe Ö ergibt die Lösung. M und L könnten willkürlich gewählt sein, nicht aber das seltene vorkommende Ö. Entlang dem Flüßchen Schwarzach das nach Norden entlang des Juratals zieht, findet man die Ortschaften Mühlen, Loderbach und Ölsbach, letztere direkt an der alten bayerischen Grenze! Hier schließt sich der Kreis von der rätselhaften Herkunft und dem unglücklichen Ende Kaspar Hausers.